Programmnotizen

Programmnotizen

Mozart war wohl der erste Komponist, der konsequent und auf höchstem Niveau die Gattung des gemeinsamen Musizierens
an einem Klavier erforscht hat. Das hatte bei ihm natürlich eine biographische Komponente, war doch seine Schwester „Nannerl“ ebenfalls eine begabte Pianistin. Da konnten die Werke immer gleich ausprobiert und „executiert“ werden. Bei der Klaviersonate, die auf dem heutigen Programm steht, hat Mozart aber ganz sicher nicht das zarte Heim-Musizieren im „Ohren-Visier“, sondern als klangliches Vorbild diente ihm das Orchester, und zwar in dessen voller Pracht. Diese Sonate ist nicht nur Mozarts längste Klaviersonate, sondern in ihrer ganzen Komplexität und in ihrer Anlage wohl auch seine anspruchsvollste.

Symphonisch ist auch das zweite Werk dieses Abends. Hier gibt es aber tatsächlich eine (Orchester-) Symphonie, die in die Geschichte der Musik als „unvollendet“ eingegangen ist, denn sie hat nur zwei Sätze: Es fehlt wohl mindestens noch ein Satz, der bewegt und schwungvoll das Werk ans Ende bringen würde. Warum Schubert dieses Werk so belassen hat ist unbekannt. Auf alle Fälle ist es schade, denn wären die „fehlenden“ Sätze so schön wie die zwei vorhandenen, wäre es die Traumsymphonie schlechthin!

Die Fassung für ein Klavier zu vier Händen hat der Komponist und Pianist Carl Reinecke (1824-1910) besorgt. Der zweite Satz, der die erste Hälfte des Konzerts abschließt, wird die ersten Minuten der Pause hoffentlich mit einem zarten Hauch voller Schönheit überstrahlen…

„Le Ruban dénoué“ von Reynaldo Hahn ist das Herz dieses Programms, nicht nur wegen der exquisiten Klangpalette, sondern auch weil dieses Werk in München höchstwahrscheinlich noch nie öffentlich gespielt wurde! Hahn, der in Venezuela geboren wurde, verbrachte den größten Teil seines Lebens in Paris und war eine Zeitlang der Lebensgefährte und lebenslang der Intimus von Marcel Proust. Aber auch ohne diese biographische Pointe wäre die Person und das Werk Hahns einer Würdigung wert, vor allem in diesen Tagen, wo der erste Weltkrieg hundert Jahre zurück liegt und die heutige Gesellschaft dieses Ereignis in einem sinngebenden Zusammenhang zu betrachten versucht. Tatsächlich schrieb Hahn diese sehnsuchtsvolle Walzerfolge buchstäblich unter Kanonengedonner, womöglich mit der Absicht der bedrückenden Realität zu entfliehen und dabei süße und heitere Erinnerungen wach zu halten. Vergleicht man die Bedeutung von Hahn mit derjenigen von Schubert oder Strauss, wird er wohl den Kürzeren ziehen, aber in einem Aspekt kann ihm wohl nur noch Mozart das Wasser reichen: Das ist die Perfektion seiner harmonischen Tonsetzung am Klavier!

Die „Lustigen Streiche“ Till Eulenspiegels gehören sicher zum allgemeinen abendländischen Kulturgut. Strauss konnte bei der Vertonung dieser Geschichte wieder einmal seine kompositorische Virtuosität unter Beweis stellen, und so knapp und doch phantasiereich dieses schaurig-traurige Schicksal darstellen. Wie bei der „Unvollendeten“ musste aber auch hier noch ein Musiker dazwischenfunken – und hier sprühen tatsächlich die Funken! – damit ein Orchesterwerk für zwei Pianisten spielbar wird. Otto Singer heißt der Arrangeur, und der Name gehörte sowohl zu einem Vater (1833-1894) und seinem Sohn (1863- 1931), die einen unermesslichen, beinah industriellen Output an Transkriptionen für jegliche pianistische Besetzung angefertigt haben. Und das in einer famosen Qualität!

Text: Yaara Tal und Andreas Groethuysen

 

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